Stellungnahme der Ratsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen zum Haushaltsentwurf 2024
– Ratssitzung vom 18.04.2024-
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
sehr geehrte Gäste, Besucherinnen und Besucher,
wir leben in unruhigen und unsicheren Zeiten, in denen kaum etwas vorsehbar ist. Gerade erst liegt die Pandemie hinter uns. Kriege und Konflikte bestimmen die internationale Politik und sind über ihre sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auch hier in Welver spürbar und für uns alle relevant. Trotz allem müssen wir gleichsam „in die Zukunft sehen“ und planen, also einen Haushalt aufstellen, der für dieses Jahr das Handeln der Verwaltung verbindlich festlegt. Es ist jetzt April – und wir sind spät, sehr spät dran, denn üblicherweise wird der Haushalt im Dezember für das Folgejahr zu verabschiedet.
Will man die aktuelle Situation unserer Gemeinde Welver mit nur einer Zahl ausdrücken, bietet sich das Jahresergebnis an: minus rund 1,6 Millionen Euro. Zum ersten Mal nach vielen Jahren steht ein Minus vor dem Wirtschaftsergebnis der Gemeinde – und in diesem Minus sammeln sich die krisenhaften und zerstörenden Ereignisse der vergangenen Jahre: Kriege, Lieferkettenprobleme und im Gefolge Preissteigerungen und Inflation vor allem auch im Baubereich, notwendige Ausbauten bei der Kinderbetreuung, Digitalisierung und Modernisierung der Schulen, zunehmende Bedarfe im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch das „Lehrgeld“ für einen suboptimalen Umgang mit der IT-Sicherheit, der nicht nur in Welver das digitale Rückgrat der Verwaltung lahmlegte. Hinzu kommen unsere ganz eigenen „Altlasten“: Vorhaben, die lange Jahre verschleppt und aufgeschoben wurden, wie z.B. der gesetzlich notwendige Ausbau des Kanalnetzes sowie die Modernisierung der Bedingungen für unsere freiwillige Feuerwehr. Es ist gut und wichtig, dass dies in dieser Wahlperiode angepackt und umgesetzt wird! Einerseits. Andererseits fehlt uns die wirtschaftliche Ausstattung, um uns auf die Zukunft einzustellen. Die Themen Klimaschutz, Klimafolgenanpassung, zunehmende Flächenversiegelung, demografische Entwicklung, Bedingungen für Kinder und Jugendliche jenseits des gesetzlich Vorgeschriebenen, Stärkung der heimischen Wirtschaft, Radwegeausbau –diese Aufgaben finden keinen Niederschlag im Haushalt – einfach, weil kein Geld da ist oder nicht wichtig genug erscheinen.
Zwei Beispiele, um zu verdeutlichen, dass sie uns etwas angehen:
- Der Klimawandel wird das Wetter verändern; Starkregen und auch Hitzeperioden werden zunehmen. Dies bedingt einen Aus- und Umbau der Wasserwirtschaft – Das ist die Aufgabe des Lippeverbands, dem wir angeschlossen sind und an den wir Beiträge zahlen. Und diese Beiträge werden in Zukunft steigen.
- Bei der kommunalen Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe arbeitet die Gemeinde mit dem Kreis Soest zusammen. Finanziert werden die Aufwendungen des Kreisjugendamtes durch die Jugendamtsumlage. Diese steigt seit Jahren an – und sie wird nach Ansicht der Fachleute weiter steigen, weil die Bedarfe vor allem im Bereich Erziehungshilfen steigen. Die Ursachen dafür sind komplex – hängen aber auch mit den Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen vor Ort zusammen. Dies zu ignorieren, bedeutet für die Zukunft, jährlich steigende Umlagebeträge zu erbringen. Eine Lösung dafür ist nicht allein die Angelegenheit Welvers: Wünschenswert wäre eine Initiative, die Kreisjugendamt und alle beteiligten Gemeinden zusammenbringt, um gemeinsam Lösungen und Verbesserungen für Kinder und Jugendliche in den Gemeinden vor Ort zu erarbeiten. Und die steigende Jugendamtsumlage ist es ja nicht allein: In diesem Atemzug lässt sich auch auf die Prognosen in Zukunft steigender Kreisumlagen verweisen.
Diese steigenden Umlagen zusammen mit den Sozialtransfers reduzieren unsere Gestaltungsmöglichkeiten. Bislang machen sie unter 40 % unseres Haushalts aus. Über rund 50 % der Aufwendungen entscheiden wir hier vor Ort durch unsere Projekte. Dazu gehören auch die Personalaufwendungen mit einem in den letzten Jahren relativ stabilen Anteil von etwa 24 %. Dabei ist die Anzahl der Stellen in den letzten Jahren gestiegen auf nunmehr 107 – wovon 30 Stellen auf den KiTa- und Schulbereich entfallen. Insgesamt sind das 17% mehr Stellen als zu Beginn der Wahlperiode (2020). Dass der Anteil an den gesamten Aufwendungen – trotz auch hoher Tarifabschlüsse – immer noch „nur“ 24 % ausmacht, hängt mit dem insgesamt gewachsenen Haushaltsvolumen zusammen, nicht zuletzt durch die für dieses Jahr um fast eine Millionen Euro höhere Schlüsselzuweisung. Kann man sich darauf verlassen, dass diese Schlüsselzuweisung kommt? – Eher nicht! Das Gemeindefinanzierungsgesetz wird erst im November eines Jahres verabschiedet. Wir wissen also nicht, wie es im kommenden Jahr mit den Zuweisungen aussieht. Dass wir 107 Stellen haben, das wissen wir allerdings.
Die Stellen verursachen Personalaufwendungen in unterschiedlichen Produktbereichen. Es überrascht wegen der Investitionsvolumina nicht, dass die Personalaufwendungen überproportional in den Bereichen Ver- und Entsorgung und Verkehrsflächen gestiegen sind. Deutlich höhere Personalaufwendungen sind auch im Bereich Soziale Leistungen und Sportförderung (Aha!) angesetzt.
An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Stichwort „Sportförderung“. Wir haben uns den Sport etwas kosten lassen. Schlüsseln wir die Aktivitäten der letzten Jahre auf, ist leicht zu erkennen, dass wir vor allem dem Fussball Gutes in Form von Kunstrasenplätzen getan haben. Dies bedeutet allerdings auch, dass wir damit – zum Beispiel in Schwefe – den Platz Kindern und Jugendlichen zum freien Spiel entzogen haben; denn ein solcher Kunstrasenplatz muss eingezäunt werden und dient allein dem Vereinssport. Die Investitionen in den Platz bedingen, dass der Verein nun eine wichtige Verantwortung und auch Chance hat: Seine Aufgabe ist es nun, die Kinder und Jugendlichen mit Angeboten zum Spiel auf diesem Platz anzusprechen und zu binden. Wir sind davon überzeugt, dass alle Vereine genau dieses Interesse haben. Wir werden demnächst einen Antrag einbringen, der allen Vereinen in Welver die Gelegenheit gibt, von ihrer Arbeit zu berichten – wir wollen eine regelmäßige Sportberichterstattung mit einem Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendarbeit.
Zurück zu den Personalaufwendungen:
Überraschend – vielleicht sollte ich auch formulieren: vielsagend – sind die Produktbereiche, in denen sich die Personalaufwendungen verringert haben:
- Im Bereich „Natur- und Landschaftspflege“ sind es rund 35 % weniger und im Bereich „Wirtschaft und Tourismus“ sind es sogar 90 % weniger.
- 90 Prozent – Ist das eine Reaktion auf die Meldung vom Statistischen Landesamt von Anfang März, dass die Gästezahlen in Welver im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 7,7 % gesunken sind – ganz im Gegensatz zu den Trends im Land (+16 %) und im Kreis (+ 6,8 %)? Frei nach dem Motto: „Wenn die Gäste nicht kommen, machen wir hier nichts.“ Oder wird umgekehrt ein Schuh draus: Die Anziehungskraft der Gemeinde für auswärtiges Geld sinkt, weil wir zu wenig tun.
- Es gibt noch einen zweiten Punkt: Fraglich – und in unseren Augen auch fahrlässig – ist, dass wir in Welver ein neues Gewerbegebiet ausweisen wollen und sich nun niemand um Attraktivität und Ansiedlungen kümmern kann. Die Schaffung von mehr sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsmöglichkeiten und die Steigerung der Gewerbesteuereinnahmen, um so unabhängiger von Zuwendungen zu werden, wird nach unserer Ansicht so nicht erreicht.
- Wir sind keine Industrie- bzw. Gewerbegemeinde – wir sind keine Tourismusgemeinde. Wollen wir nur noch Schlafgemeinde sein? Hier fehlt wirkliche Tatkraft und Zunftsorientierung!
Insgesamt erscheint uns die Zuordnung der Personalaufwendungen auf die verschiedenen Leistungsbereiche der Verwaltung nicht ganz schlüssig; bei der Analyse des Haushalts kommt es so vor, als würde Personal hin und her geschoben, so dass es im Ergebnis irgendwie passt. Das ist nicht transparent und eher ein Zeichen von fehlenden Strukturen und insbesondere Verlässlichkeiten, auch für die Mitarbeitenden. In Verbindung mit dem Gemeinde-Organigramm, ergibt sich noch nicht das Ziel, das im letzten Haushaltssanierungskonzept 2022 kurz und knapp so formuliert wurde:
„Es wird intensiv an einer Optimierung und Digitalisierung der Prozesse und der Bildung einer effizienten, effektiven, modernen und der Größe der Gemeinde entsprechenden Verwaltungsstruktur gearbeitet.“ [HSP 2022, S. 32]
Eine solche effiziente, effektive und moderne Verwaltungsstruktur ist ohne Transparenz nicht denkbar. Notwendig ist ganz konkret ein transparentes, intern und extern nachvollziehbares und auch kennzifferngestütztes Berichtssystems, das Orientierung bietet. Und zwar allen Beteiligten: Den Mitarbeitenden in der Verwaltung genauso wie der Verwaltungsführung und dem Rat als Entscheidungsgremium. Jetzt, wo die finanzielle Decke kürzer wird, ist der richtige Zeitpunkt, ein solches Konzept auf den Weg zu bringen; denn angesichts der Risiken können wir nicht davon ausgehen, dass der Personalbestand in der bisherigen Geschwindigkeit aufgestockt werden kann. Und das bei vermutlich eher zunehmenden Aufgaben – an dieser Konstellation entzündet sich Unzufriedenheit! Sei es auf Seiten des Rates, sei es innerhalb der Verwaltung. Wir erinnern hier nur an den Umfang der Ermächtigungsübertragungen, die gegenüber dem Vorjahr um etwa 40 % angestiegen sind. Das sind Aufgaben, die für 2023 geplant und nicht fertiggestellt wurden. Es gibt immer Sonderbedingungen, ja. Der Anstieg ist aber trotzdem ein Indiz, dass da etwas nicht rund läuft und aufeinander abgestimmt ist.
Bislang ging es um die Risiken im Haushalt. Es gibt aber auch einige positive Aspekte, die wir hervorheben wollen:
- Wir kommen ohne Steuererhöhungen aus.
- Wir haben uns deutlich verbessert bei der Akquise von Fördermitteln zum Nutzen unserer Gemeinde – und wir arbeiten weiter daran.
- Der Schuldenstand der Gemeinde konnte im vergangenen Jahr nochmals reduziert werden – um über 12 % auf rund 5,4 Millionen Euro. Damit liegen wir im Kreis Soest an dritter Stelle der geringsten Pro-Kopf-Verschuldung. Als gebrannte Kinder der Haushaltssicherung ist das wichtig für uns! Wir bewahren dadurch Spielräume für die Zukunft.
- Das Minus im Jahresergebnis muss uns nicht beunruhigen. Es sind ausreichend „Ersparnisse“ in der Ausgleichsrücklage da. Allerdings sollte uns beunruhigen, dass wir es nicht haben kommen sehen. In der mittelfristigen Finanzplanung, die wir vor rund eineinhalb Jahren aufgestellt haben, steht für das Jahr 2024 ein kleines Plus drin. In dem kurzen Zeitraum haben wir uns also um 1,6 Millionen Euro vertan. Dies sollten wir als Hinweis ernst nehmen; denn die Krisen und die Anpassungsbedarfe werden nicht weniger.
Unsere gemeinsame große Aufgabe für die nächsten Jahre ist es, Haushaltsdisziplin und Zukunftsorientierung zu vereinbaren, um so unsere Heimatgemeinde weiterzuentwickeln.
Ich möchte betonen, dass wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, um die finanziellen Herausforderungen zu meistern. Es ist wichtig, dass wir konstruktiv und lösungsorientiert zusammenarbeiten, um die Zukunft unserer Gemeinde zu sichern.
In diesem Sinne bitte ich um Ihre Unterstützung und Ihr Verständnis für die notwendigen Maßnahmen, die wir treffen müssen. Lassen Sie uns gemeinsam handeln, um unsere Gemeinschaft zu stärken und die Lebensqualität für alle Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.
Zum Schluss dieser Haushaltsrede möchte ich mich im Namen der Fraktion bei der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit, die Vorbereitungen der Haushaltsberatungen und den Entwurf des Haushaltssanierungsplanes bedanken.
Heute legen wir einen genehmigungsfähigen Haushalt vor.
Aus unserer Sicht sind in diesem Haushalt Weichen gestellt worden, die wir mittragen können. Ich hoffe, Sie werden ebenso wie wir dem Haushalt 2024 zustimmen.
Herzlichen Dank!
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